Räum- und Streupflicht in den Bundesländern
Berlin
Die Winterdienstpflicht wird im Land Berlin durch das Straßenreinigungsgesetz (StrReinG) geregelt.
1. Winterdienstpflichtige
Zum Winterdienst verpflichtet sind die Anlieger der Grundstücke. Dies sind die Grundstückseigentümer sowie Erbbauberichtigte, Nießbraucher und diejenigen, denen ein dingliches Nutzungsrecht an dem Grundstück zu stehen. Zur ordnungsmäßigen Reinigung der Privatstraßen des öffentlichen Verkehrs sind die Eigentümer verpflichtet.
Ist ein zur Durchführung der ordnungsmäßigen Reinigung verpflichteter Anlieger dazu körperlich und wirtschaftlich nicht in der Lage, so kann das Land Berlin auf dessen Antrag für die Dauer der Leistungsunfähigkeit seine Verpflichtung übernehmen. Zuständig ist das Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben (Bezirksamt Lichtenberg von Berlin). Dieses kann ebenfalls Ausnahmen vom Winterdienst auf Gehwegen zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich und eine Gefährdung des Fußgängerverkehrs ausgeschlossen ist.
Die ordnungsmäßige Reinigung der in den Straßenreinigungsverzeichnissen A und B aufgeführten Straßen obliegt der BSR. Die ordnungsmäßige Reinigung der im Straßenreinigungsverzeichnis C aufgeführten Straßen obliegt den Anliegern jeweils von ihren Grundstücken bis zur Straßenmitte. Soweit Anlieger fehlen oder eine Ausnahme vom Winterdienst zugelassen wurde, obliegt die ordnungsmäßige Reinigung ebenfalls der BSR.
2. Beauftragung durch Dritte
Durch privatrechtliche Vereinbarungen können Dritte mit der Durchführung des Winterdienstes beauftragt werden. Die Verantwortlichkeit des Winterdienstpflichtigen für die ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes entfällt durch die Beauftragung Dritter jedoch nicht (vgl. Urteile zur Übertragung der Streupflicht).
3. Umfang des Winterdienstes
a. Gehwege
Der Umfang der Räum- und Streupflicht beinhaltet, dass Gehwege in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls, bei länger anhaltendem Schneefall in angemessenen Zeitabständen, vom Schnee entfernt wird. Bei Schnee- und Eisglätte ist der Gehweg unverzüglich mit abstumpfenden Mitteln zu bestreuen, bei Bedarf auch wiederholt. Eisbildungen, denen nicht ausreichend durch Streuen entgegengewirkt werden kann, sind zu beseitigen. Auf Gehwegen in Straßen ist der Winterdienst in einer Mindestbreite von 1,5 Metern und bei Gehwegen mit einer geringeren Breite als 1,5 Meter in der Gesamtbreite durchzuführen. In allen übrigen Straßen ist der Winterdienst in einer für den Fußgängerverkehr erforderlichen Breite, mindestens jedoch 1 Meter, durchzuführen. Erfordert das Fußgängeraufkommen auf stärker frequentierten Gehwegen eine größere Fläche, so ist eine entsprechend breitere Bahn zu schaffen.
Sind bei einer Straße Fahrbahn und Gehweg nicht durch bauliche Maßnahmen, Verkehrseinrichtungen oder Verkehrszeichenregelungen voneinander abgegrenzt oder ist der Gehweg vorübergehend nicht benutzbar, so sind die Straßenteile, die bevorzugt dem Fußgängerverkehr dienen, wie Gehwege winterdienstlich zu behandeln.
b. Haltestellen
Um ein gefahrloses und ungehindertes Ein- und Aussteigen zu gewährleisten, ist an Bushaltestellen der Winterdienst auf Gehwegen in der Länge des Haltestellenbereichs bis zu einer Tiefe von 2 Metern durchzuführen, ebenso an Straßenbahnhaltestellen mit straßenbündigem Bahnkörper ohne Mittelinsel sowie bei Straßenbahnhaltestellen mit direktem Ausstieg auf den Gehweg. Von den Haltestellenbereichen aus ist ein Weg zu den von den Grundstückseigentümern zu räumenden Gehwegflächen sowie zu den Wartehallen zu schaffen. Die Fläche vor den Wartehallen ist auf der gesamten Länge und einer Breite von mindestens 1 Meter in der Weise von Schnee und Eis freizumachen, dass ein gefahrloser und ungehinderter Zugang zum Haltestellenbereich ermöglicht wird.
c. Sonstiges
Außerdem sind Hydranten sowie die Zugänge zu Fernsprechzellen, Notrufsäulen, Aufzügen, Briefkästen und Parkautomaten von Schnee und Eis freizumachen.
d. Zeitlicher Rahmen des Winterdienstes
Dauert der Schneefall über 20:00 Uhr hinaus an oder tritt nach dieser Zeit Schneefall oder Glättebildung ein, ist der Winterdienst bis 7:00 Uhr des folgenden Tages, an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen bis 9:00 Uhr durchzuführen. Bei Bedarf sind die Räum- und Streumaßnahmen zu wiederholen (vgl. auch Urteile zur abendlichen Streupflicht).
e. Beseitigung des Schnees
Schnee- und Eismengen von Gehwegen sind grundsätzlich auf dem der Fahrbahn zugewandten Rand der Gehwege anzuhäufen. In den Rinnsteinen und auf den Einflussöffnungen der Straßenentwässerungsanlagen dürfen Schnee und Eis nicht abgelagert werden. Vor Ein- und Ausfahrten, in den Haltestellenbereichen der öffentlichen Verkehrsmittel, gehwegseitig im Bereich von gekennzeichneten Behindertenparkplätzen und auf Radfahrstreifen und Radwegen darf Schnee und Eis ebenfalls nicht angehäuft werden. Neben Fußgängerüberwegen, Straßenkreuzungen und Straßeneinmündungen darf nur bis zu einer Höhe, die Sichtbehinderungen für den Fahrzeugverkehr auf den Fahrbahnen ausschließt, Schnee und Eis angehäuft werden.
4. Einzusetzendes Streumittel
Bei der Durchführung des Winterdienstes auf Gehwegen ist die Verwendung jeglicher Auftaumittel (Bsp.: Salz) ausnahmslos verboten.
5. Folgen bei Nichtbeachtung der Winterdienstpflicht
Wer nicht seiner Winterdienstpflicht nachkommt oder unzulässiges Streumittel verwendet, handelt ordnungswidrig. Daneben bleibt die zivilrechtliche Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehen (vgl. Urteile zur unterlassenen Streupflicht).
6. Strafrechtliche Folgen
Das Unterlassen der Streupflicht kann auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte 2011 einen Streupflichtigen zu einer Geldstrafe. Es sah den Straftatbestand der fahrlässigen Körperverletzung als erfüllt an, weil der Streupflichtige nicht gestreut hatte und ein Rentner deshalb zu Fall kam. Der Mann zog sich einen Gelenksplitterbruch zu (Amtsgericht Tiergarten, Urteil vom 07.01.2011, Az. (277 Cs) 3012 PLs 4836/10 (274/10)).
1. Wer trägt die Verkehrssicherungspflicht?
2. Wer trägt die Kosten?
3. In welchem Umfang gilt die Räum- und Streupflicht?
4. Wann muss gestreut werden?
5. Welches Streumittel ist einzusetzen?
6. Gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz?
7. Wer haftet bei einem Sturz?
8. Kann die Haftung ausgeschlossen werden?
9. Haftet meine Versicherung?
aktuelle Urteile zum Winterdienst, sowie der Räum- und Streupflicht
- Winterliche Räum- und Streupflicht bei ernsthafter lokaler Glättegefahr (17.01.2023)
- Mietvertragliche Pflicht zur Übernahme des Winterdienstes durch Erdgeschossmieter schließt Umlage der Kosten auf andere Mieter aus (16.12.2022)
- Winterdienstpflicht im verkehrsberuhigten Bereich bei bloßer optischer Abgrenzung von Gehweg und Fahrbahn (13.01.2020)
- BGH: Glättestellen im Bereich zwischen parkenden Fahrzeugen auf Kundenparkplatz eines Supermarktes müssen nicht bestreut werden (03.01.2020)
- Verkehrssicherungspflicht bei Wanderwegen (11.11.2019)
- Wohnungseigentümergemeinschaft darf Bestellung eines Winterdienstes für öffentlichen Weg beschließen (04.11.2019)
- Unterlassene Streukontrolle: Verkehrssicherungspflichtigen trifft bei Unfall wegen Glatteis volle Haftung (14.01.2019)
- Kein Anspruch auf Schmerzensgeld bei Nutzung eines erkennbar nicht gestreuten und geräumten Weges bei Glatteis (09.01.2019)
- Anspruch auf Schadensersatz wegen Lackschäden am geparkten Pkw durch bei Schneeräumung weggeschleuderten Splitts (27.12.2018)
- Beschluss über Beauftragung von Mini-Jobbern anstatt Fremdfirma mit Winterdienst durch Wohnungseigentümer entspricht regelmäßig nicht ordnungsgemäßer Verwaltung (20.11.2018)